Exkursion in „die unzufriedenste Stadt“ – zwischen Theater und Realität

LK Englisch - als ZuschauerAm 21. und 22. April 2016 besuchte der Englisch-Leistungskurs der Q2 das English Theatre Berlin, um sich das englischsprachige Stück „The Most Unsatisfied Town“ anzusehen und an einem begleitenden Workshop teilzunehmen. Bereits die Aufführung am Donnerstagabend berührte die Kollegiat*innen sehr. Dabei beginnt die Geschichte von Laurence und seinen Freunden als eine hoffnungsvolle; ...

... über Menschen, die es schafften, den Schrecken des Krieges in ihren Heimatländern zu entfliehen und sich mit Ausdauer und Entschlossenheit eine neue Existenz in Deutschland aufzubauen. Laurence gelingt dieser lange Weg und er wähnt sich als Familienvater, guter Freund und Ladenbesitzer endlich sicher und glücklich. Doch an dieser Stelle erwartete uns statt eines Happy Ends eine dramatische Wendung:
Denn in der „unzufriedensten Stadt“ brodelt längst Hass gegen alle, die in einem engstirnigen Weltbild als 'anders' gelten. Dieser Hass entlädt sich, als Laurences Freund Rahim verhaftet und Stunden später tot, verbrannt, in seiner Zelle aufgefunden wird. Die verantwortlichen Beamten behaupten daraufhin, dass es sich um Suizid handeln müsse. Laurence forscht mithilfe seiner Freunde – und unter spürbarem Widerstand von offizieller Seite – selbst nach und deckt auf, dass dieser Tod nicht selbstverantwortet gewesen sein kann. Allerdings reichen auch die aussagekräftigsten Beweise nicht für Gerechtigkeit, denn die Staatsgewalt hält zu ihresgleichen. Somit bleiben Rahims Tod, der Schmerz der Hinterbliebenen und die Repressionen gegen Laurence und alle anderen, die sich um Aufklärung bemühten, ungesühnt.

LK Englisch3 - im WorkshopLK Englisch4 - im Workshop und Gespräch

Sogar noch bewegender als das beeindruckende Theaterstück der afroamerikanischen Schriftstellerin Amy Evans war für uns der Austausch mit der 'Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.', die sich seit elf Jahren für Gerechtigkeit in dem Fall, auf dem das Stück basiert, einsetzt. Dafür kamen wir am Freitag zu einem Workshop zusammen.

Dort erhielten wir zunächst Einblicke in den schockierenden Fall und den Status quo:LK Englisch2 - in der Diskussion
Der Sierra Leoner Oury Jalloh kam am 7. Januar 2005 bei einem Brand in einer Zelle des Polizeireviers Dessau ums Leben. Zum Zeitpunkt des Todes war er fixiert, soll es laut Aussage der Beamten aber dennoch geschafft haben, seine feuerfeste Matratze in Brand zu stecken. Die Initiative hat seitdem selbstfinanziert u.a. eine zweite Autopsie und unabhängige Brandgutachten in Auftrag gegeben, deren Auswertungen eine Beteiligung Dritter beweisen. Trotzdem ist das Strafverfahren bis heute nicht abgeschlossen und die Mitglieder der Initiative sehen sich massiven Widerständen ausgesetzt.

Viele Kollegiat*innen hörten durch diesen Fall das erste Mal von den Problematiken Polizeigewalt und dem systematischen „Wegsehen“ rechtsstaatlicher Institutionen bei fremdenfeindlich motivierten Taten. Der Workshop ließ uns aber mit diesem Erkenntnisgewinn nicht allein. Zusammen mit einem Theaterpädagogen, drei Mitgliedern der Initiative und dem Regisseur des Theaterstücks sind wir im Anschluss über die Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung einer toleranten Gesellschaft ins Gespräch gekommen. Dabei wurde uns schon durch die angebotenen Methoden im Workshop, aber auch durch das sensible Miteinander im Kurs, ein Rahmen geboten, in dem wir offen über alle Ängste, Zweifel, Hoffnungen und Ideen zum persönlichen Engagement sprechen konnten.

Trotz der schockierenden Thematik nahmen wir deshalb also alle etwas Positives für uns mit: Eine Erfahrung, die uns verdeutlicht hat, dass es immer und überall richtig und wichtig ist, seine Stimme gegen menschenverachtendes Gedankengut und Gewalt einzusetzen!
Der Leistungskurs Englisch wird sich auch über diese beiden Tage hinaus mit Oury Jallohs und ähnlichen Fällen beschäftigen und hofft, dabei auch andere Kollegiat*innen und Lehrer*innen für das Thema sensibilisieren zu können.

Dass wir die Möglichkeit, uns in einem Fremdsprachenkurs auch intensiv gesellschaftspolitisch zu bilden, in dieser Form bekommen haben, dafür danken wir natürlich der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V., dem English Theatre Berlin sowie dem Förderverein des VKK.

Ronja Zimm & Hr. Trutt-Rössler

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