Exkursion zum Bertolt-Brecht-Haus
Das Bertolt Brecht Haus / die Brecht-Weigel-Gedenkstätte in Berlin (Chausseestraße 125) gehört zu den bekanntesten Ausflugszielen, wenn es darum geht, den genialen und sonderbaren Menschen Bertolt Brecht und seine Frau Helene Weigel näher zu kommen und einen Einblick in die Privatsphäre einer der bekanntesten Personen deutscher Geschichte zu bekommen.
Dabei ist es nicht nur möglich an einer kurzen Führung teilzunehmen, es wird zusätzlich die Möglichkeit geboten, mit einer Schulklasse die Räumlichkeiten zu besichtigen. Sonderbar ist es dennoch, denn es handelt sich immerhin nur um eine Wohnung die nicht dazu gedacht war Schulklassen durch die Zimmer und die Küche zu führen.
Die Gedenkstätte wurde zu Bertolt Brechts 80. Geburtstag, am 10. Februar 1978, eröffnet. Zu besichtigen gab es jeweils drei im Originalzustand erhaltene Räume von Brecht und Weigel. Brecht lebte in seiner Wohnung in der ersten Etage des Seitenflügels und Hinterhauses von Oktober 1953 bis zu seinem Tode am 14. August 1956. Helene Weigel bewohnte zu Brechts Lebzeiten Räume in der zweiten Etage des Seitenflügels. Brecht und Weigel hatten eine seltsame Beziehung zueinander, sie konnten nicht ohne einander leben, aber auch nicht miteinander. Deswegen entstand diese Trennung der Wohnräume. Jeder konnte sich in sein kleines privates Reich zurückziehen, wenn er seine Ruhe vom anderen haben wollte. Verständlich, dass die Beziehung zu Brecht schwer aufrecht zu erhalten war, denn Brecht, der ein sympathischer und netter Mann war, konnte sich zur gleichen Zeit in einen widerwärtigen, dominanten Diktator verwandeln, insbesondere wenn es um das Theater ging, bei dem auch Helene Weigel arbeitete und im Grunde genommen seine Chefin war, die 500 Mark mehr als Brecht verdiente. Die tobenden Anfälle vor allem während der Arbeit im Theater verzieh man Brecht großzügig. Seine charmante und sonst so höfliche Art kaschierte seine Aussetzer. So verband sie nicht nur ihr Privatleben, sondern auch das Berufsleben. Der Beginn der Führung begann eigentlich bereits an der Kasse, bzw. ist es heute die Kasse. Zu Zeiten Brechts war es das kleine Zimmer in dem er seinen Tee machte. Brecht war ein Frühaufsteher. Morgens um 6 Uhr begann sein Tag, er ging in dieses, wie es genannt wurde, Tee-Zimmer und kochte sich seinen Tee, so dass er bereits um 6:30 den Tee zu sich nahm und eine Zigarre dabei genoss.
Der nächste Raum war das Wohnzimmer, aber eigentlich ist es besser als Arbeitszimmer zu definieren. Es gab dort sieben Tische, auf denen er unterschiedliche Arbeiten verrichten konnte. Zur Zeiten der Führung war selbstverständlich der Raum ordentlich. Wie uns aber erklärt wurde, nahm es Brecht mit der Ordnung nicht ganz so genau. Mehrere große Bücherregale ragten an einer Wand entlang, die allesamt voll von unterschiedlichen Büchern waren. Trotz der für uns großen Anzahl von 4222 Büchern die Brecht gelesen hat, hieß es allerdings, dass es eine relativ kleine Menge war, im Vergleich zu anderen Schriftstellern. Die enthaltenen Werke und Arbeiten Brechts lagen damals auch in diesem Zimmer, die aber zum jetzigen Zeitpunkt gut archiviert und geschützt werden, von dem gegründeten Bertolt-Brecht-Archiv von Helene Weigel. Das Zimmer war beleuchtet, es gab mehrere Fenster die das Sonnenlicht gut ins Zimmer ließen. Freunde und Arbeitskollegen trafen sich in dem Arbeitszimmer. Sie alle waren Raucher und anstelle von den allzu bekannten Aschenbechern standen große Tellerförmige Behälter die zum Abaschen der Zigarren und Zigaretten fungierten. Viele, die Brecht nahe standen waren starke Raucher, dies wurde Helene Weigel auch zum Verhängnis, sie starb an Lungenkrebs. Der Vorteil dieses Zimmers war, das Brecht die Möglichkeit besaß, aus der Wohnung zu gehen, durch einen Hintereingang, ohne dabei seine Freunde wegschicken zu müssen, falls er genug von dem Besuch hatte. So stellte der Besuch nach einer Weile selber fest, das Brecht schon eine Weile verschwunden war und ging von alleine. Neben dem Arbeitszimmer war Brechts Schlafzimmer, in dem er auch gestorben ist. Heute geht man davon aus, dass er an einer Herzentzündung starb. Neben dem Bett sah ich seinem Hut und einen Wanderstock. Der Hut riecht nicht mehr nach Tabak, versicherte uns die nette Dame, die uns führte, denn sie hat bereits an dem Hut gerochen. Wir durften das leider nicht, da wir das Zimmer nicht betreten durften. Neben dem Bett lagen englischsprachige Zeitungen.
Obwohl Brecht gerne Kriminalromane vor dem Einschlafen lass, beschäftigte er sich auch ab und zu mit englischen Zeitungen, um vielleicht auch an andere Quellen der Informationsbeschaffung zu nutzen, was unserer Meinung sehr klug war. Beim Verlassen des Arbeitszimmers führte man uns auf die Terrasse der Wohnung, wobei die Terrasse erst nach dem Tod von Brecht durch Helene Weigel ausgebaut wurde. Dort fand man einen ganz anderen Stil wieder. Man merkte deutlich, dass hier eine Frau das Ambiente eingerichtet hat. Nicht nur die Möbel strahlten geschmackvollen Stil aus, auch das Besteck und Geschirr hatte eine elegante Seele. Die Einrichtung war nach der Herkunft Helenes Weigels gestaltet, dem Geschmack einer Wiener Frau. Helene Weigel hat gerne und gut gekocht, die Küche, die uns gezeigt wurde, war nicht sehr groß, doch sehr überschaubar und gut organisiert. Wenn man bedenkt, dass Helene Weigels Zustand nach ihrem Exil sich deutlich verschlechtert hat, zeigte sie einen starken Willen. Neben der Tätigkeit als Ehefrau, die sie erfüllte, hatte sie drei Jobs. Am Ende zeigte man uns die Garage von Brecht. Er fuhr gerne und schnell. Als Vorbildfunktion konnte man ihn in dieser Hinsicht gewiss nicht nennen. Trotz mehrerer Unfälle, blieb er seinem Lebensstil treu und war für sein Alter im Geiste immer jung geblieben.
Mein Fazit aus der Führung: Es wurde uns ein Mann gezeigt, der sich im Grunde genommen nicht allzu sehr von anderen Menschen unterschied. Er hatte seine Besonderheiten, die haben wir auch. Auf ausschweifenden Luxus trafen wir nicht. Vielmehr einen Menschen der sein Leben genoss und seine Frauen, Freunde, Kollegen und Zigarren liebte. Ein Mensch, der seine Umgebung nicht ignorierte sondern in ihr und mit ihr lebte. Dies ist bei Schriftstellern keine Selbstverständlichkeit, er war ein Mann wie jeder anderer, der eine besondere Begabung hatte und sie auch nutzte und damit ein Teil deutscher Geschichte wurde.
Viktoria Vasikova und Sergej Frese